Der Bundesrat verweigert den Kindern weiterhin das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung

Der Bundesrat hat negativ auf die Motion Bulliard-Marbach 19.4632 «Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern» geantwortet.
Montag, 2. März 2020
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Damit missachtet der Bundesrat die Faktenlage, welche die immer noch weit verbreitete Gewaltanwendung in der Erziehung belegt. Kinderschutz Schweiz verlangt, dass das Parlament seine Verantwortung wahrnimmt und den negativen Entscheid des Bundesrates korrigiert.

Psychische und physische Gewalt an Kindern in der Erziehung nimmt nicht ab, wie aktuelle Studien zeigen. Die Hälfte aller Kinder in der Schweiz erlebt heute Gewalt in der Erziehung. Jedes fünfte Kind leidet unter schwerer Gewalt. 1500 Kinder werden jährlich aufgrund von «Erziehungsmassnahmen» auf Kindernotfallstationen in Spitälern behandelt. «Diese Zahlen zeigen uns, dass in der Schweiz ein dringender Handlungsdarf für eine gewaltfreie Erziehung besteht», so Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle Kinderschutz Schweiz. «Erziehung ist Privatsache, Gewalt gegen Kinder nicht.» Für Kinderschutz Schweiz ist es deshalb unverständlich, dass der Bundesrat den Kindern ein eindeutiges Gesetz weiterhin verweigert.

Das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung schützt vor Gewalt

Wird Kindern das Recht auf eine Erziehung frei von physischer und psychischer Gewalt zugesprochen und dieses Recht mit einer Kampagne bekannt gemacht, nimmt sowohl die tatsächlich verübte Gewalt an Kindern ab als auch deren gesellschaftliche Akzeptanz. Dies zeigen Beispiele aus Schweden (Recht auf gewaltfreie Erziehung seit 1979) und Deutschland (Recht auf gewaltfreie Erziehung seit 2000). Kinderschutz Schweiz setzt sich deshalb für eine gesetzliche Lösung ein, die der Gewalt in der Erziehung eine klare Absage erteilt. Aufgrund dieser Tatsachen sieht auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) «dringenden Handlungsbedarf».

Unklare rechtliche Situation verunsichert Eltern

In der Rechtsprechung des Bundesgerichts bleiben bis heute Überreste des «Züchtigungsrechts» weiter bestehen. Laut Bundesgerichtsentscheiden ist Züchtigung innerhalb unklar definierter Grenzen weiterhin zulässig (z.B. gelegentliche Schläge, die keine sichtbaren Folgen haben). Diese Unsicherheit überträgt sich auch auf die Eltern und Erziehungsberechtigten. Studien haben gezeigt, dass oft keine genaue Vorstellung davon besteht, was ein Kind bereits als physische oder psychische Gewalt erlebt. Ein klares Recht auf gewaltfreie Erziehung würde den Eltern und Erziehungsberechtigten helfen, eigenes gewalttätiges Handeln als solches zu erkennen, und damit die Kinder besser vor Gewalt schützen.

Schweiz ist bald europäisches Schlusslicht

Ein Blick nach Europa zeigt, dass bereits fast alle Länder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung kennen: manche Länder wie Frankreich oder Irland erst seit einigen Jahren, andere wie Schweden oder Österreich schon seit Jahrzehnten. 23 Jahre nach der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention ist es für die Schweiz ebenfalls höchste Zeit, den hier lebenden Kindern das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung zu gewähren.

Der Bundesrat hat die Chance verpasst, ein starkes Signal zum Schutz der Kinder in der Schweiz zu setzen. Mit der Überweisung der Motion Bulliard-Marbach kann das Parlament den Fehlentscheid des Bundesrates korrigieren. «Viele Kinder erleben keine Gewalt in der Erziehung. Andere schon. Ihre Rechte müssen wir schützen und im Schweizer Recht verankern. Wir bleiben dran», so Yvonne Feri, Nationalrätin und Stiftungsratspräsidentin von Kinderschutz Schweiz.

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Tamara Parham
Bereichsleiterin Kommunikation
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